Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Papa kann nicht einschlafen

Was für ein witziger Rollentausch!

Irmtraud Gutschke

Ich kenne auch eine junge Frau, die behauptet, nur Kinderbücher lesen zu wollen, weil die ihr im Gegensatz zu denen für Erwachsene, eher gut tun würden. Diesen Gegensatz sehe ich nicht so, aber zweifellos hat gute Kinderliteratur einen Reiz für jedes Alter, manchmal weil sie einfach nur lustig ist. Kinder und Erwachsene nehmen ein Buch ja oft verschieden auf. Zum Beispiel „Papa kann nicht einschlafen“ von  Anna Lena und René Amthor (von ihr stammt der Text, er malte die lustigen Bilder). Ich freute mich allein schon über den Titel, weil das Einschlafen für viele ein Problem ist. Werden da vielleicht Ratschläge gegeben? Ja, einige schon, aber der eigentliche Witz ist, wie hier die Rollen vertauscht sind. Normalerweise behaupten ja die Kinder, nicht einschlafen zu können, während die Eltern mal wenigstens eine kurze Zeit ihre Ruhe vor ihnen haben wollen. Kinder werden das Buch aber wahrscheinlich nur mit entsprechenden Hinweisen auf ihr eigenes „Abendzeremoniell“ auf sich beziehen. Erst einmal macht ihnen die Vorstellung Spaß, dass Hannes und sein Kuscheltier Herr Winter schon tief und fest schlafen, und der Papa tappt durch die Wohnung. So eine Konstellation kann möglich sein, ist aber doch eher selten.

Hannes schickt den Vater auch nicht barsch ins Bett, wie es umgekehrt vielleicht der Fall wäre. „Musst du nicht selbst schlafen?“, fragt der Papa. „Papalapapp, ich mach dir eine Tasse Kakao!“ Und dann der vollendete Rollentausch: „Darf ich heute bei dir im Kinderzimmer schlafen?“ Und damit ist es noch längst nicht gut, denn es folgt eine „Verlängerungstour“, wie man sie von Kindern gut kennt. Ob Vierjährige diese Spiegelung erkennen, wenn man sie nicht darauf hinweist? Egal. Dass das Kind sich mal überlegen zeigt – in Einfallsreichtum und Mut, wird ihnen gefallen. Das junge Autorenpaar könnte aus eigener Erfahrung wissen, wie die Kleinen abends nerven können, ehe sie endlich einschlafen. Da benimmt sich Hannes geradezu vorbildhaft. Bewundernswert, wie geduldig er ist, wie freundlich und wie er dem Vater letztlich sogar aus seinen Ängsten hilft. Vielleicht sollten Erwachsene wirklich mal an Hannes denken, wenn ihre Kinder nicht einschlafen können? Mehr Verständnis aufbringen für das, was ihnen auf dem Herzen liegt.  Dass Papa nicht schlafen kann, liegt nämlich nicht nur daran, dass Mama schnarcht. Es gibt einen anderen ihm peinlichen Grund, den Hannes herausfinden muss. Überraschend ist diese Geschichte bis zum Schluss, der hier natürlich nicht verraten werden soll.

Anna Lena Amthor & René Amthor: Papa kann nicht einschlafen. Annette Betz Verlag, 32 S., geb.,
16 €.

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