Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Hotel zum verunglückten Alpinisten

Der Kommissar war ein Idiot

Irmtraud Gutschke

Arkadi und Boris Strugatzki, zwei Meister der sowjetischen Spannungsliteratur: Ihre Bücher sind seit 1959 in einer Gesamtauflage von mehr als 50 Millionen Exemplaren erschienen und in mehr als 30 Sprachen übersetzt worden. Welche Freude, ihnen nach so vielen Jahren wieder zu begegnen. Wenn es auch über einen Umweg ist. Nicht den Roman von 1970 haben wir vor uns, sondern die Graphic Novel eines estnischen Künstlers: Veiko Tammjärv ist ein Gesamtkunstwerk gelungen. Schwarz-blau, schwarz-sandfarben, schwarz-dunkelrot – stellen wir uns auf düstere Geheimnisse ein. Das Hotel im Hochgebirge erinnert ja schon mit seinem Nehmen an einen Bergsteiger, der in einer Lawine umgekommen ist. Eine Lawine, so viel sei verraten, verschüttet diesmal zwar niemanden, aber führt zu einem Stromausfall. Aber erst einmal erscheint es wie ein schönes Urlaubsdomizil mit illustren Gästen, die sich zum Abendessen beisammensitzen.

Mord in einer einsamen Hütte mit einer überschaubaren Zahl von Verdächtigen – das ist ein probates Krimimuster. Als der Polizeiinspektor Peter Glebsky wohl versehentlich dorthin gerufen wurde, war erst einmal noch nichts passiert. Doch er will in der Dunkelheit nicht ins Autos steigen. Und dann überstürzen sich die Ereignisse, die uns Veiko Tammjärv mit nur sparsamen Textschnipsel vor Augen führt. Zum Erlebnis wird die rätselhafte Atmosphäre seiner Graphiken, die zugleich Gedanken freisetzt. „Alles, was mich in diesem behaglichen Hotel umgab – der sympathische Besitzer, die etwas seltsamen Gäste und die berauschend schönen Berge – versprach einen angenehmen Abend. Innerlich dankte ich meinem Chef für den Einsatz.

Seinem Chef, der schließlich sogar einen folgenreichen Hubschraubereinsatz anordnet, kann er aber später aber keineswegs erzählen, was er erlebt hat. Niemand würde es ihm glauben, und er selber wird die Zweifel nicht los. Das Muster des klassischen englischen Detektivromans, dass jedes Rätsel zu lösen ist, wenn man nur die entsprechenden geistigen Talente hat, funktioniert hier nicht. Ja irgendwann scheint es sogar, dass der kluge Inspektor der einzige ist, dem der Durchblick fehlt. Er blieb im Rahmen seiner begrenzten Vorstellungswelt. So handelte er wie ein Idiot und macht sich schuldig.

Ein großes Vergnügen ist diese Graphic Novel. Dem Verlag Voland & Quist sei Dank dafür. Wer jetzt Lust bekommt, den ganzen Roman zu lesen. Er ist aus dem Golkonda Verlag Berlin zu haben, wo es überdies eine sechsbändige Ausgabe Gesammelter Werke der Strugatzki-Brüder gibt.

Veiko Tammjärv: Hotel zum verunglückten Alpinisten. Graphic Novel nach dem Roman von Arkadi und Boris Strugatzki. Aus dem Estnischen von Maximilian Murmann. Verlag Voland & Quist, 129 S., br., 30 €.
Arkadi und Boris Strugatzki: Hotel zum verunglückten Bergsteiger. Roman. Herausgegeben von Erik Simon. Aus dem Russischen von Ruprecht Willnow. Golkonda Verlag, 254 S., br., 18 €.  

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