Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

JAN DE HAES: Glück oder Pech?

Dialektik des Lebens

Irmtraud Gutschke

Ein Junge und ein Bär, die zusammen eine spannende Zeit verbringen – wie Figuren aus einem Puppenspiel wirken sie auf den Bildern des belgischen Grafikers Jan de Haes. Sie spielen zusammen im Wald, und stellen sich zunächst nur vor, was für tolle Abenteuer sie erleben würden. Doch dann rollt der Bär einen Berg hinab. Sie finden einen Edelstein, der aber bald wieder verloren geht. Auf der Suche danach stürzen sie in ein Loch und entdecken einen riesigen Schatz. Klar, dass sie nun Dieben zur Beute werden … Und so geht es weiter. „Glück oder Pech, wer kann das schon sagen“ – in einer ganzen Kette von überraschenden Situationen wird diese Frage durchgespielt.

Kinder ab vier, für die das Buch gedacht ist, werden nicht wissen, dass die Idee auf ein berühmtes Werk der chinesischen Philosophie zurückgeht, das „Huainanzi“, entstanden 180–122 v. Chr: Dass ein Bauer ein Pferd verliert, ist in dieser berühmt gewordenen Geschichte nur der Beginn einer Kette von Ereignissen, die das Wechselspiel des Lebens veranschaulichen sollen. Da liegen Glück und Unglück nah beieinander, Licht und Schatten sind zwei Seiten einer Medaille.

So spielerisch die Geschichte hier erzählt und gestalterisch aufgemacht ist, hat sie also philosophischen Tiefgang. Dialektisches Herangehen an die Wirklichkeit: Das würde man gerade heute auch vielen Erwachsenen wünschen und Politikern besonders. Felsenfest kann man von den eigenen besten Absichten überzeugt sein und dann das Gegenteil von dem erreichen, was man eigentlich wollte. Bei jeder Aktion ist auch die Gegenreaktion einzukalkulieren. Aber selbst wenn man diesbezüglich ein guter Schachspieler wäre, was an Zufällen und äußeren Einflüssen möglich ist, lässt sich nicht voraussehen.

Was kann man also tun? Handeln mit Bedacht und sich nicht entmutigen lassen. Einerseits kann man vieles nicht vorhersehen, doch darf man an glückliche Fügungen glauben.

Jan de Haes: Glück oder Pech: Wer kann das schon sagen? Aus dem Französischen von Bernd Stratthaus. Edition Nilpferd, 40 S., geb., 17 €.

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