Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Lago. Die Küche der norditalienischen Seen

Erkundungen für Genießer

Irmtraud Gutschke

Was für eine wundervolle Reise muss es gewesen sein, die Catherine Roig und Emanuela Cino zusammen unternommen haben! Man merkt es diesem Buch an, welche Freude sie dabei hatten. Entdeckerlust: Schau, diese Bäckerei, wollen wir da nicht mal reingehen? Und wie sie da erscheinen mit Fotoausrüstung, Fragen stellen und auf ihr Buchprojekt verweisen, sind sie sofort ganz liebe Ehrengäste. Dürfen den berühmten Kuchen namens „Fugascina“ probieren und bekommen auch noch ein paar köstliche Baci di Dama (Frauenküsse) eingepackt, nachdem sie die Bäckerin und ihren Konditormeister fotografiert haben.

Und so könnte es überall gewesen sein, wo sie auftauchten. So viel Freundlichkeit, so viel Genuss. Und alles so ursprünglich. Keine Bettenburgen, obgleich da viele kleine Orte durchaus auf Touristen hoffen. Kleine malerische Hotels und Restaurants sind im Buch abgebildet und jede Menge leckere Gerichte. Aber die haben nichts von der Künstlichkeit der Haute Cuisine, sie lassen noch die Arbeiten spüren, bevor sie auf den Teller kamen. Die Nudeln, welche Sorte auch immer, sind natürlich selbst gemacht. Und die Forelle schwamm vor kurzem noch im Lago di Mergozzo, den ich bislang nicht kannte.

Oh, wie beneide ich die beiden um das Rinderkotelett aus dem Kamin, das sie in der „Osteria da Lu & A“ an den Hängen über Bellagio probieren durften. Man kann ja sogar sehen, wie das Fleisch über dem Feuer brutzelt. Klar, dass es am Comer See auch „Hochglanz-Hotels“ gibt. Doch Emanuela Gino hat lieber den Vintage-Tiefkühler fotografiert, wo in der Osteria die selbstgemachten Eissorten aufbewahrt werden. Und auch das Feld, wo der Brescia-Mais wächst, aus dem dann die ortstypische Polenta entsteht. Man kann sie nach dem Kochen in Stücke schneiden und braten. Mit Nussbutter, Knoblauch, Salbei und Bergkäse lässt sie sich verfeinern.

Fast 100 Rezepte enthält der dicke Band. Ein Kochbuch? Ja und nein. Die Fotos der fertigen Gerichte machen freilich Lust, das auch selber mal zuzubereiten. Wie etwa die Minestra Sporca, welche die beiden am Iseosee genossen haben, eine Hühnersuppe, die garantiert besser schmeckt als alle Suppen dieser Art, die man kannte. Von diesem See hatte ich vorher noch nie gehört. Den Garda- und den Comer See kennt man ja, den Lago Maggiore natürlich auch, weniger aber den Lago di Mergozzo, mit dem das Buch beginnt. So unberührt wirkt er, zumal das Wasser hier von viel besserer Qualität ist als anderswo, denn Motorboote sind verboten.

Catherine Roig hat das alles eindrucksvoll beschrieben. Den Ortasee, wo die beiden einen himmlischen Spaziergang gemacht haben und sich dann an den Schaufenstern voller Schlemmereien erfreuten, bevor sie sich mit einem Campari Orange ans Ufer setzten. Besonders gefallen hat es ihnen dann am Iseosee mit Monte Ideo, der größten Binneninsel Europas, welche etwa ein Dutzend Fischerdörfer beherbergt. Nur einen Steinwurf liegt sie vom Festland entfernt und ist inzwischen durch die „Floating Piers“ des Künstlers Christo verbunden. Natürlich gab es da frisch gegrillte Sardinen zu essen, aber längst nicht nur. Eine Spezialität sind auch kleine Salamis mit einem geringen Fettgehalt. Nur bestes Fleisch wird dafür genommen, mit Rotwein, Knoblauch Kräutern, Zimt, Muskat, Nelken, Salz und Pfeffer werden sie gewürzt, bevor sie mindestens zwölf Stunden geräuchert werden. Man sieht sie in einem Keller hängen, wo sie vierzig Tage reifen müssen. Und auf der nächsten Seite schon, ist man auf einem Bauernhof, wo Oliven angebaut werden. In kleinen Bechern kann man verschiedene Ölsorten verkosten. Es werden auch Gästezimmer mit Seeblick angeboten. Na, wäre das nicht mal eine Idee?

Reisesehnsucht: Wie vielfältig die Natur der Oberitalienischen Seen ist! Wie malerisch die kleinen Städte und Dörfer mit ihren Cafés, Bauernhöfen, Weingütern, Märkten. Es ist nicht mehr lang bis Weihnachten. Wäre dieses Buch nicht ein tolles Geschenk? Gute Wünsche und Vorfreude. Vielleicht auf eine Reise nächstes Jahr im Frühling oder im September?

Catherine Roig und Emanuela Cino: Lago. Die Küche der norditalienischen Seen. Prestel Verlag, 399 S., geb., 38 €.

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