Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

MarC Lippuner: Berliner Geschichte

Ein Kalender, in dem man sich festlesen kann

Wer diesen Kalender in die Hand bekommt, wird blättern wollen. Wer zu blättern beginnt, der liest sich fest. Und wird staunen, welche Fülle von Personen und Ereignissen von Marc Lippuner zusammengetragen worden ist. Beginnend mit Kurfürst Joachim II. von Brandenburg, der am 3. Januar 1571 überraschend im Schloss Köpenick verstarb, und endend mit Marie Magdalene Dietrich, die am 27. Dezember 1901 in Berlin Schöneberg geboren wurde. Dass erstgenannter 1539 in der Mark Brandenburg die Reformation eingeführt hat und die Niederlassung von Juden erlaubte, die allerdings hohe Steuern zu zahlen hatten, werden viele nicht wissen. Marlene Dietrich aber kennt wohl jeder; hier allerdings sind Einzelheiten zu ihrem Leben zu erfahren. Wie kenntnisreich und präzise die Texte von Marc Lippuner sind, ist hervorzuheben — und auch wie gut geschrieben.

Jede Woche ein Kalenderblatt, auf dem zu einer brillant reproduzierten Abbildung Interessantes mitgeteilt wird. Über eine Lustparty im Schloss Grunewald zum Beispiel (dabei sieht die Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen auf dem Foto so unschuldig aus) und über den dritten und letzten Agentenaustausch am 11. Februar 1986 auf der Glienicker Brücke. Dabei gelangte unter anderem der in der UdSSR wegen „antisowjetischer Agitation“ verurteilte zu 13 Jahren Zwangsarbeit verurteilte Anatoli Schtscharanski im Austausch gegen einen sowjetischen Kundschafter in den Westen und konnte später in Israel Handels- und Industrieminister werden.

So vermag Marc Lippuner mit seinen stimmigen Texten einen immer wieder so packen, dass man nach weiteren Einzelheiten suchen will — ob zu Albert Einsteins Ehefrau Elsa, die am 31. Juli 1921, in Erinnerung an den Beginn des Ersten Weltkriegs Flugblätter verteilte, oder zur Entdeckung des Planeten Neptun am 23. September 1846 in der Berliner Sternwarte.

Und was bis heute nicht selbstverständlich ist: Der Kalender sieht Berlin im Ost-West-Zusammenhang, vermerkt die Eröffnung des Palastes der Republik am 23. April 1976 (da sieht man Erich Honecker mit seiner Margot tanzen) ebenso wie den Tod der DDR-Rocksängerin Tamara Danz am 22. Juli 1996 und die Grundsteinlegung für das Haus des Lehrers am 12. Dezember 1961.

Irmtraud Gutschke

Marc Lippuner: Berliner Geschichte. Kalender 2021. Elsengold Verlag,
24 x 32 cm, 56 Blatt, 22 €.

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1 Kommentar

  1. Marc Lippuner 24. November 2020

    Liebe Frau Gutschke,
    ich freue mich sehr über Ihre wunderbare Rezension und wünsche Ihnen viel Freude mit dem Kalender.
    Herzliche Grüße, Marc Lippuner

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