Als das Wünschen noch geholfen hat
Azumi Uchitani: „Yoshuku“ verbindet japanische Weisheit mit moderner Lebensphilosophie
Irmtraud Gutschke
Dass Wünsche wahr werden, in Märchen ist es gang und gäbe. Aber die japanische Autorin arbeitet als Künstlerin und spirituelle Lehrerin im heutigen Europa. Wissend um die geistigen Nöte in westlichen Gesellschaften, will sie, so der Verlag, „eine kulturelle Brücke zwischen Japan und Europa schlagen und ‚inneren Frieden‘, das Geschenk der alten japanischen Weisheit“ zu uns herüberbringen.
Wie es häufig bei derlei Lebenshilfe-Büchern ist, sind eigene schwierige Erfahrungen die Wurzel. Auf Grund einer chronischen Autoimmunerkrankung landete die Autorin im Krankenhaus und „kam nur knapp mit dem Leben davon“. So hat sie selbst für sich nach Bestärkung suchen müssen, die sie nun an andere weitergeben will. „Ich habe einen Weg gefunden, mein Leben im Einklang mit der Essenz der japanischen Weisheit zu gestalten – einer Weisheit, die mir von meiner Familie, meinen Vorfahren und meinen großen Lehrern überliefert wurde.“
Es ist tatsächlich interessant, wie sie sich dabei auf die Religion und Lebensphilosophie des Shintō bezieht, welche auf die prähistorische Jomon-Zeit (14 000-300 v.Chr.) zurückgeht, während der Buddhismus erst im sechsten Jahrhundert nach Japan kam. Im Unterschied zur Transzendenz in den Religionen – von vielen Göttern und Heiligen hin zu einem einzigen allmächtigen Gott – handelt es sich hier um Immanenz, die wohl allen frühen Kulturen eigen war und die bis heute mancherorts noch lebendig ist. „Wie auch im Animismus sind wir im Shinto davon überzeugt, dass alle Dinge, die lebendigen wie auch die unbelebten, eine spirituelle Essenz in sich tragen. Wir glauben, dass unser Leben von göttlicher Energie unterstützt und geschützt wird – dass wir inmitten dieser unsichtbaren Kräfte existieren.“
Die gibt es überall, sie sind aber besonders stark an „heiligen Orten in den Wäldern und Bergen, an Feldern und Seen“, wo göttliche Energie vermutet wird. Da denke ich sofort an den See Issyk-Kul in Kirgistan, in dem ich bald wieder baden und eine seltsam belebende Wirkung erfahren werde. Während unsere wunderbare Reiseleiterin von „heidnischen Glaubensvorstellungen“ spricht, welche der Islam ebenso wie auch das Christentum ja bekämpft.
Nun, heute muss das nicht mehr so streng gesehen werden, zumal von uns Westeuropäern nicht, die sich über einer rational-atheistischen Basis nach Belieben ein Glaubensgebäude bauen dürfen und dabei zu einem Mix aus verschiedenen Überlieferungen Zuflucht nehmen – bis hin zur Esoterik in den unterschiedlichsten Spielarten. Jeder darf sich als Glaubensstifter fühlen und stolz darauf sein.
Die japanische Überlieferung, welche hier beschrieben wird, ist im Gegensatz dazu nicht individualistisch. Es gibt in Japan etwa 80.000 bis 100.000 Shintō-Schreine, die oft sogar zu buddhistischen Tempeln gehören. Das lässt sich offenbar gut mit dem Glauben vereinbaren, „dass wir mit zahllosen Gottheiten zusammenleben, höheren Wesen – den kami –, zu denen die Geister unserer Vorfahren, mächtige lokale Geister und die Geister der Natur gehören“. Das ist mit Ritualen und Zeremonien verbunden, die von einem Shintō-Priester geleitet werden und auf jeden Fall gemeinschaftlich sind.
In diesem Sinne ist „Yoshuku“ ein gemeinsames, fröhliches Fest, bei dem man die Erfüllung von Wünschen und Hoffnungen sozusagen vorausfühlen soll. Indem wir „im Voraus feiern“, meint Azumi Uchitani, „verstärken wir die Schwingungen unserer Energie“ und werden infolgedessen „auf eine Weise handeln, die uns unserem Ziel immer näher bringt“.
„Selbsterfüllende Prophezeiung“ – der Begriff stammt von dem Psychologen Alfred Adler, der danach trachtete, bei seinen Patienten negative Muster zu überwinden. Insofern wäre „Yoshuku“ ein aufs Positive gerichtetes Ritual, gemeinschaftlich vollzogen, was mindestens so stark wirkt wie die suggestive Einwirkung eines Therapeuten. „Yoshuku“ entfaltet seine Wirksamkeit durch die Kraft unserer Imagination.“ Wie die Autorin erklärt, liegt diesem Konzept die Auffassung zugrunde, „dass die Zeit zyklisch verläuft, ähnlich den wiederkehrenden Jahreszeiten oder dem Wechsel von Tag und Nacht. Diese Energie fließt ununterbrochen. So wie die Energie vergangener Ereignisse den gegenwärtigen Moment beeinflusst, so prägt die Energie des gegenwärtigen Moments auch die Zukunft.“
Eine schöne Vorstellung. Wem das zu abgehoben erscheint, der kann es auch einfacher haben: Unsere Einstellungen wirken auf unser Handeln, und dieses beeinflusst die Wirklichkeit.
Azumi Uchitani: Yoshuku. Die japanische Kunst, Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen. Aus dem amerikanischen Englisch von Moritz Langer. Hoffmann und Campe, 169 S., geb., 23 €.