Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Sylvain Tesson: Mit den Feen

„Das Wunderbare dringt aus den Dingen“

„Mit den Feen“: Mit Sylvain Tesson unterwegs „über die keltischen Meere“

Irmtraud Gutschke

Gemeinhin gilt er als „Reiseschriftsteller“, doch touristische Highlights finden sein Interesse nicht. Eher zieht es Sylvain Tesson in unwirtliche, menschenleere Gegenden. Man bewundert ihn, wie er körperliche Grenzerfahrungen sucht, indem er für den Band „Weiß“ auf Skiern die gesamte Alpenkette von Menton in Frankreich bis nach Triest in Italien überquerte und in „Der Schneeleopard“ in Tibet auf einer Höhe von 4000 Metern unterwegs war. „Auf versunkenen Wegen“ wollte er in Frankreich nach einem schlimmen Unfall zu sich selber finden, wählte das Laufen und die Einsamkeit, wie es schon „In den Wäldern Sibiriens“ war.

Sein neues Buch folgt einer „Segelreise über die keltischen Meere“ von Galicien und Asturien, über die Bretagne, England, Wales, Irland, Schottland – und immer auf der Suche nach den „Feen“. Die sind für ihn natürlich „keine Libellen-Mädchen, die im Ballett-Röckchen über Brunnen flattern“. Es sind die besonderen Augenblicke, die er „feenhaft“ nennt, etwas, das dem Alltag gegenübersteht. „Die Technik hatte die Welt erobert, die Massen wuchsen, der Handel gab den Ton an. Überall Geräusche, Vernunft, Kalkül, Wut.“ Davor flieht er.

Was er eigentlich nicht müsste. „Feen“ nach seinem Empfinden kann man auch im heimischen Garten finden, bei einem Abendspaziergang durch menschenleere Straßen und im Wald natürlich. Aber wenn man dabei aufs Handy schaut, gelingt es nicht. Bizarr, wie die Leute da ständig „einen kleinen schwarzen Gott“ in der Tasche haben. „Sie kümmern sich den ganzen Tag um ihn, wiegen und streicheln ihn wie wundervolle fürsorgliche Weibchen“…

Deshalb, um all dem Gewöhnlichen zu entfliehen, hat sich der Autor an den „Rand der Welt“ begeben wollen, und lesend folgt man ihm. Er nennt es einen „keltischen Weg“, hin zu einer verschütteten, geheimnisumwitterten vorchristlichen Kultur. Er rechnet damit, dass Leser darauf neugierig sind. Deshalb reist er so weit. Er hat Bücher dabei. Vor allem aber widmet er sich der ruhigen Betrachtung, dem Augenblick. Er findet Kraft und Trost, und spendet sie auch uns beim Lesen. Achtsamkeit lernen: Wo wir auch sind, es liegt an uns, Ruhe zu finden. „Das Wunderbare dringt aus den Dingen. Die Gnade schwebte über ihnen.“

Sylvain Tesson: Mit den Feen. Eine Segelreise über die keltischen Meere. Aus dem Französischen von Nicola Denis. Rowohlt. 207 S., geb., 25 €.

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