Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Paulo Coelho: Der Alchimist

Lebe deinen Traum!

Irmtraud Gutschke

Ein Roman von 1988, 1991 erstmals auf Deutsch erschienen: „Der Alchimist“ des brasilianischen Bestsellerautors Paulo Coelho, dessen Bücher, in 88 Sprachen übersetzt, über 320 Millionen Mal verkauft wurden. Diogenes kann sich freuen, ihn mit immer wieder neuen Werken im Programm zu haben. Dass „Der Alchemist“ jetzt eine Neuauflage erfährt, liegt wohl an den Bildern von Christoph Niemann, die allein schon ein Erlebnis sind. Eine riesige Mondsichel und davor eine Palme – so beginnt es. Geheimnisvoll. Mysterien sind, bevor sie enträtselt werden (ist das überhaupt möglich), erst einmal anzuerkennen. Wunder können geschehen, wenn wir an sie glauben.

Die wegweisende Macht des Traums – ein uralter Erzählstoff. Wer Coelho liest, stellt sich auf die Macht des Märchens ein. Was Christoph Niemann gemalt hat, ist auch wirklich märchenhaft. Die Absicht aber liegt nicht einfach nur im phantastischen Fabulieren, wobei dies ja auch gekonnt sein will, sondern noch in einer ganz anderen Gabe, die der Schriftsteller für seine Leserinnen und Leser bereithält: Lebensweisheit – und die wieder nicht in einem ernüchternden, sondern in einem ermutigenden Sinne.

Ein junger Hirte namens Santiago hat einen seltsamen Traum: Bei den ägyptischen Pyramiden würde er einen Schatz finden. Verrückt, sich dorthin auf den Weg zu machen? In gewisser Weise schon. Es ist eine lange Reise mit vielen, vielen Hindernissen und Gefahren. Was wiederum Zweifel weckt, ob sie nicht irrwitzig und letztlich ergebnislos sein wird. Genau darin besteht Paulo Coelhos Anliegen: dass wir lernen sollen, Zweifel und Schwächen zu überwinden, um unserer Bestimmung zu folgen. Dass jedem Menschen schon mit seiner Geburt eine Bestimmung mitgegeben ist, davon ist der Schriftsteller überzeugt, und genau diesen Glauben will er weitergeben.

Man mag das esoterisch nennen und irrt sich darin wohl nicht. Aber erstens bietet dieser Roman mitreißende, spannende Lektüre, atmosphärisch dicht und voller Phantasie. Aber zu den schönen Lesestunden schenkt er uns noch mehr: Ermutigung, die wir in diesen Zeiten umso nötiger brauchen. „Die Entscheidungen waren nur der Anfang von etwas. Wenn man einen Entschluss gefasst hatte, dann tauchte man damit in eine gewaltige Strömung, die einen mit sich riss, zu einem Ort, den man sich bei dem Entschluss niemals hätte träumen lassen.“

So wie der titelgebende Alchimist im Roman Santiago zeigt, wie aus Blei Gold gemacht wird, wird hier eine Verwandlung beschrieben: Was zunächst nur ein Traum ist, wird real durch Santiagos Beharrlichkeit. Paulo Coelho meint tatsächlich, dass man im Einklang mit der „Weltenseele“ sei, wenn man dem Weg folgt, „den Gott für jeden Einzelnen hier auf Erden gewählt hat“. Da werden viele ungläubig lächeln, und dennoch wird es ihnen gut gehen mit diesem Buch.

Paulo Coelho: Der Alchimist. Roman. Mit Zeichnungen von Christoph Niemann. Diogenes Verlag, 218 S., geb., 20 €.

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