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Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Matthias Zimmer: Alte Werte in neuer Zeit

Im Sinne des Gemeinwohls

Von Irmtraud Gutschke

Konsequent aus christlicher Verantwortung zu sprechen und zu handeln – nicht alle Funktionsträger der CDU können das für sich in Anspruch nehmen, wenn es nicht nur ein Lippenbekenntnis sein soll. Da hat der langjährige Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer seiner Partei im Sinne der christlichen Soziallehre ein Diskussionsangebot gemacht, das manchem unbequem sein dürfte. Man hofft für ihn, dass es nicht so vehement zurückgewiesen wird wie das von Sarah Wagenknecht an die Linke. Seltsam mag es scheinen, warum mir jetzt ihr Buch „Die Selbstgerechten“ in den Sinn kommt, obwohl darin nicht von explizit christlichen Werten die Rede ist, aber von Gemeinwohl durchaus, an dem sich praktische Politik orientieren muss. Zimmer wie Wagenknecht, von verschiedenen Seiten kommend, wenden sich gegen jene egoistische Raffgier, die dem Kapitalismus wohl immanent ist, aber staatlicherseits gezügelt werden muss. Sie plädieren für eine verantwortungsvolle Politik und bekennen sich zum Traum einer besseren Welt.

Warum könnte nicht Matthias Zimmer zum Kanzlerkandidaten werden, bedauerte ich beim Lesen, obwohl ich mir die Frage natürlich beantworten kann. Was er Grundsätzliches zu vielen Problemen dieses Landes sagt, ist wohl zu diskutieren, aber nicht von der Hand zu weisen. „Wir haben eine Verpflichtung dafür, dass Armut aus der Welt verschwindet.“ Ein klares Votum findet sich zu den Rechten der Arbeitenden und dazu, dass Eigentums verpflichtet. „Wirtschaftskompetenz hat etwas mit Moral zu tun. Das wird leider immer wieder vergessen… Politik ist dazu da, den Schwachen zu helfen; die Starken helfen sich schon alleine.“ Ansichten, die viele teilen, auch wenn man weiß, wie schwierig gute Vorsätze praktisch umzusetzen sind. Der Begriff „alte Werte“ ist absichtsvoll provokant gesetzt in einer Zeit, in der alles auf „Neues“ orientiert scheint und „alt“ gar irgendwie mit verstaubt in Zusammenhang gebracht wird. Da scheint sich der Autor gerade auch an diejenigen zu wenden, denen das auf die Nerven geht. Nicht nur im Westen der Bundesrepublik gibt es viele, die sich verschämt oder trotzig eingestehen, dass sie „althergebracht“ denken – im Gegensatz zum derzeitigen Neoliberalismus, der nicht nur die Arbeiter, sondern auch die alte Mittelschicht an den Rand gedrückt hat. Ihre Gefühlslagen gehören zu dieser Gesellschaft ebenso wie die der neuen urbanen Mittelschicht, die für sich eine Meinungsführerschaft in Anspruch nimmt. „Konservativ“ die einen, „progressiv“ die anderen? Sahra Wagenknecht nimmt für sich selbstbewusst den Begriff „linkskonservativ“ in Anspruch. Aber ist das nicht ein Widerspruch in sich? Egal, ich könnte mir die beiden Autoren gut in einem angeregten Gespräch vorstellen, was ihre Parteien ihnen übelnehmen würden. Viele gibt es, denen das Parteiengezänk zuwider ist und die sich Politik lieber als „runden Tisch“ wünschen würden. Aber ja, ich weiß, das ist naiv.

Matthias Zimmer: Alte Werte in neuer Zeit. Christliche Verantwortung und praktische Politik. Nomen Verlag, 189 S., br.,

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