Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Das verwunschene Versteck

Der Traum von einem wilden Leben

Von Irmtraud Gutschke

Wenn ein kleines Mädchen von einer Sekunde auf die andre aus der Wohnung verschwindet, der Schrecken der Erwachsenen wäre groß. Aber Hannah aus dem von Susanna Mattiangeli hat nun mal beschlossen, im Park zu leben, und wir können nur staunen, wie sie diesen beschluss verwirklicht. Sie würde „Verlorenes aufsammeln, aus dem Springbrunnen trinken und Vögel jagen … Sie bereitete sich ein Bett aus Laub. Dazu Pfeil und Bogen …“ Und bald findet sich sogar noch ein Gefährte: Das „Seltsame Pelzmonster“ schlief nachts neben ihr. Sie aßen gras und Kekse, die sie auf dem Boden fanden, brieten sich Tauben über dem Lagerfeuer…

Der Traum von einem wilden Leben wird wohl auch der italienischen Autorin Susanna Mattiangeli nicht fremd gewesen sein. Und auch die Illustratorin Felicita Sala hat sichtbare Freude daran gehabt. Überhaupt gibt es wohl nicht wenige Erwachsene, die sich fortwünschen in unbekannte Weiten. Nur dass sich dann bei ihnen sofort Vorbehalte melden. Die Vernunft sagt: So angenehm könnte es am Ende nicht sein. Einer Vierjährigen – für dieses Alter ist das Buch gedacht – würde sicher der Gedanke kommen, dass Mama und Papa fehlen würden und es nachts im Versteck beängstigend wäre. Wer das denkt, während Hannah und das Pelzmonster Raupen, Stöcke und trockene Blätter in ihr verwunschenes Versteck holen, dem ist Überraschung gewiss. Sie ist nämlich gar nicht wirklich fort gewesen aus ihrem Zimmer, hat sich nur durch ihre Fantasie forttragen lassen. Während sie ein Bild malte, war sie tatsächlich in einem verwunschenen Versteck.

Dass wir überallhin aufbrechen können, wenn wir es wollen, sagt uns das Buch. In unseren Gedanken sind wir frei.

Susanna Mattiangeli: Das verwunschene Versteck. Illustrationen von Felicita Sala. Insel Verlag, 32 S., geb., 15,90 €.

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