Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Ludwig Bechstein: Die schönsten Märchen

Vom Urvertrauen in die Kraft der Wünsche

Von Irmtraud Gutschke

Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, erstmals erschienen 1812/15, dürfte er wohl gekannt haben. Ludwig Bechstein , 1801 in Weimar geboren und 1860 in Meiningen verstorben, veröffentlichte sein „Deutsches Märchenbuch“ 1845. Wie die Grimms hat auch er seine Quellen in alten Schriften und mündlicher Überlieferung gefunden, aber er nahm mit dem Ziel, pädagogisch zu wirken, vielfach auch Veränderungen vor. Während man zögern muss, empfindsamen Kindern von heute Grimms Märchen vorzulesen – sogar ich erinnere mich an nächtliche Ängste, weil sich schreckliche Bilder eingebrannt hatten – kann man mit Bechstein kaum etwas falsch machen.

Beim Vorlesen oder Selberlesen ist Freude gewiss. Denn da ist ein Urvertrauen in die Kraft der Wünsche. War da am Anfang eine Ungerechtigkeit, eine Sorge, eine Not, so wird die Welt durch das Märchen in Ordnung gebracht. Der jüngste, verachtete Bruder macht erst recht sein Glück („Schwan, kleb an“, „Hirsedieb“). Der Arme wird belohnt („Der Schäfer und die Schlange“). Ein kann sogar König werden („Des kleinen Hirten Glückstraum“). Und dabei haben die Geschichten oft einen solchen Witz, dass sie wohl auch dem Autor selber Spaß gemacht haben. Wir amüsieren uns köstlich über „Die Probestücke des Meister-Diebes“ und darüber, wie „Der Schmied von Jüterbog“ Tod und Teufel besiegte.

Der farbenprächtig von Markus Lefrancois illustrierte Band enthält 19 wirklich schöne, unterhaltsame Geschichten, einen Bruchteil dessen, was uns Bechstein überließ. manch Bekanntes wird man wiederfinden: die „sieben Schwaben“ auf der Suche nach Abenteuern, „Besenstielchen“ und „Das Nusszweiglein“, die beide an „Die Schöne und das Biest“ erinnern und nicht zuletzt „Das Märchen vom Schlaraffenland“, Wunschtraum aller Hungrigen, dem man heute viele Gedanken hinterherschicken mag: zur menschlichen Gier, die dr Welt wie auch dem einzelnen schadet.

Ludwig Bechstein: Die schönsten Märchen. Illustriert von Markus Lefrancois, Insel-Bücherei, 125 S., geb., 18 €.

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