Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Hellmuth Henneberg: Die Stunde des Gärtners

Die Säge im Kirschbaum

Berufung, Lebenskunst und Topinambur: „Die Stunde des Gärtners“ von Hellmuth Henneberg

Lange hat er die Fernsehsendung „rbb-Gartenzeit“ moderiert. Man dürfte ihn für einen Experten halten, was Hellmuth Henneberg inzwischen auch ist. Aber anfangs hat er, wie er bekennt, „Handgriffe vor der Kamera demonstriert“, die er „nie zuvor selbst erprobt hatte“. Wie ein „Neulehrer“ habe er „das bis zum Vorabend angelesene Wissen referiert“. Das änderte sich mit der Zeit, und die Pflanzen veränderten sozusagen sein Leben. „Die Entdeckung, dass Garten meine eigentliche Berufung ist, gehört zu meinen stärksten Impulsen, die ich nach meinem 45. Lebensjahr empfangen habe“.

In einem Dorf in der Niederlausitz hat er ein Refugium gefunden. „Garten ist eine Beziehung“, schreibt er, „das, was zwischen den Dingen und mir passiert“. So werden Gartenliebhaber in diesem Buch zwar manches über Obstbäume und Hortensien finden, über rote Rosen und frühen Frost, über Schnecken und auch über die Täuschung, den Topinambur einfach für eine unschuldige gelbe Blume zu halten, aber hauptsächlich geht es dem Autor um anderes: um Lebenskunst.

Dafür braucht es zweierlei: Muße und Tätigsein. Ein Garten hält in Bewegung, die zugleich etwas Meditatives haben kann. Man ist ganz bei sich und zugleich ganz nah bei den stummen Wesen, die wir Pflanzen nennen. Henneberg gönnt ihnen ein Eigenleben, freut sich geradezu, wenn sie „wandern“. Er fühlt sich ein, ja kommuniziert auf seine Weise mit ihnen, notfalls indem er eine Säge in den Kirschbaum hängt. Der Nachbar hatte es ihm geraten, und der Trick funktionierte sogar. Überhaupt die Nachbarn: Leser aus der Stadt werden sich wundern, was in Hennebergs Dorf so alles los, was für einen Zusammenhalt, was für eine fröhliche Gemeinschaftlichkeit es dort noch gibt. Die hat unsereins verloren. Keine Zeit. Schau aus dem Fenster. Da steht der alte Birnbaum, macht sich in aller Ruhe für den Winter bereit. Und blättere in diesem Buch, freu dich daran, wie liebevoll es gestaltet ist. So schön sind die Bilder von Ulrike Spang, dass man sie immer wieder betrachten mag.

Irmtraud Gutschke

Hellmuth Henneberg: Die Stunde des Gärtners. Mit Illustrationen von Ulrike Spang. Verlag Natur + Text, 96 S., geb., 14,90 €.

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