Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Sehnsucht nach Japan

Ramen und Matcha, Ikebana und Geishas, Judo und Zen

Irmtraud Gutschke

Purpurn glänzt der Rot-Ahorn auf dem Cover. Und was mag das wohl für ein Vogel sein? Ich müsste es wissen… Japan: in der Tat ein Sehnsuchtsland, was an den Bildern liegt, die einem im Gedächtnis sind, ohne dass man je dort gewesen ist. Der aufwändig gestaltete Band will uns mit auf eine Gedankenreise nehmen. Zuerst sollen wir uns stärken – mit Miso-Suppe, Ramen, Reis, Mochi und natürlich Sake, dem „Getränk der Götter“. Bei seiner Herstellung spielt ein bestimmter Schimmelpilz eine Rolle, ebenso übrigens wie für Sojasoße und Miso. Die traditionelle Teezeremonie wird erklärt. Für den munter machenden Matcha-Tee soll man das Pulver mit kaltem Wasser aufrühren und dann 80 Grad heißes Wasser aufgießen. Dass man daraus auch Kuchen machen kann, ich wusste es nicht und werde es ausprobieren.

Der Blick verweilt auf farbenprächtigen Bildern. der Drache sieht gefährlich aus steht aber auch für Weisheit und Mut. Der Koi-Karpfen repräsentiert Ausdauer und Zielstrebigkeit. Ikebana-Arrangements leben eben nicht nur von Blumen, sondern wollen auch Zweige, die auf den ersten Blick vielleicht sperrig wirken. Hocho: Japanische Messer gelten als besonders scharf. „Fehler oder Makel sind ein unausweichlicher Teil des Ganzen und sollen nicht versteckt, sondern anerkannt und geschätzt werden. Das betrifft auch die Kunst des Kintsugi, Keramikteile zu zerbrechen und dann wieder zusammenzufügen.

Überall lauern verborgene Sinnzusammenhänge. Ob beim Origami oder in den japanischen Farbholzschnitten, der Kaligraphie wie beim Judo und der Schwertkunst Kenjutsu. Das Langschwert Katana sollte man nicht einmal sanft berühren. Aber in den Onsen, den heißen Quellen, kann man sich nach Herzenslust entspannen ebenso wie bei Shirin yoku, dem Waldbaden, das inzwischen auch bei uns bekannt geworden ist. Ebenso wie Karaoke und natürlich die Geishas, die lange ernen müssen, um sich so zu nennen.

Was mich besonders im Buch interessierte, waren die Kapitel über die philosophischen und spirituellen Strömungen, die es in Japan gibt. Einprägen sollte man sich den Begriff Wabi Sabi, der das Unvollkommene als natürlich und sinnstiftend beschreibt, was im Widerspruch zum westlichen Streben nach Makellosigkeit steht. Wabi Sabi für Zuhause – dieser Mut zur Reduktion – verbreitet sie hierzulande allerdings auch. Jetzt weiß ich den Namen dafür weiß.

Was ein Zen-Garten ist, kann man in den Berliner „Gärten der Welt“ erleben. Ikigai – der Weg zu einer persönlichen Lebenskunst ist für viele Menschen wichtig. „Mein Ikigai“: Hier hat sich die Autorin geoutet, die nur ganz klein gedruckt auf der letzten Seite des Buches steht. Warum? Warum steht Caroline Metzger nicht auf dem Cover wie es ihr gebührt? Es ist überaus klug, was sie über Kaizen, die Kunst der kleinen Schritte, geschrieben hat. Wenn auf meinem Schreibtisch wahrscheinlich ein Chaos erhalten bleibt, weiß ich doch, was das bedeutet – im Positiven wie im Negativen. Denn die „große Geste“, die der Soziologe Armin Nasehi jüngst einer Kritik unterzog, geht oft ins Leere, das Erwünschte tritt nicht ein.

Caroline Metzger: Sehnsucht nach Japan. Lebensart im Land der aufgehenden Sonne. arsEdition, 208 S., geb., 25 €.

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