„Mach dich bereit zum Staunen“
Irmtraud Gutschke
Staunen kann man allein schon über die Illustrationen von Whooli Chen. Der Buchumschlag zeigt ein Kind auf einem fliegenden Teppich. Da der Band für Sechs- bis Neunjährige gedacht ist, das Mädchen etwa in diesem Alter sein. Ein allein reisendes Schulkind, furchtlos fliegt es durch die Lüfte. In viel zu leichter Kleidung zur Bouvetinsel im Südatlantik, wo es besonders kalt und stürmisch ist, und dann, wie um sich zu erwärmen, zum Vulkan Arnal in Costa Rica, der jeden Moment wieder ausbrechen könnte. Aber wie wundersam ist das Blumenmeer, das ihn umgibt!
Wir besuchen die berühmten Terrakotta-Soldaten im Grabmal des ersten chinesischen Kaisers Quin Shi Huang, die berühmte Höhle von Lascaux im französischen Montignac, die seit 1963 gesperrt ist. Allerdings gibt es seit 1983 einen Nachbau, 200 Meter vom Original entfernt. Gesperrt ist auch die Militärbasis „Area 51“ in Nevada. Rund um die Uhr wird sie bewachst, nur weil dort Kampfflugzeuge getestet werden? Hartnäckig halten sich Gerüchte übe außerirdische Raumschiffe, die hier gelagert werden. Gruslig ist auch, was von der Geisterinsel Poveglia in der Lagune von Venedig erzählt wird. inst wurden dort Pestkranke in Quarantäne gehalten, später war dort eine psychiatrische Klinik, und seit 1968 ist der Ort nicht mehr zugänglich. „Die vermeintlichen Spukhäuser sind von Pflanzen überwuchert, die an den bröckelnden Mauern entlang durch die zerbrochenen Fester hineinwachsen.“
Die wunderschönen Bilder – was wären sie ohne die informativen, atmosphärisch dichten Texte von Patrick Makin. Er ist unser „Reiseführer“, während wir im Buch blättern – neugierig, in den Buckingham Palast zu schauen, wo es 775 Zimmer gibt, darunter 52 Schlafzimmer. Aber wie mag es wohl bei der Queen aussehen? Auch im vatikanischen „Geheimarchiv“ würde man gern mal stöbern. Wie hat das Mädchen auf dem Teppich wohl da hineingefunden? Auf der brasilianischen Insel Queimada landet sie lieber nicht, denn dort wimmelt es von tödlichen Schlangen. Auf andere Weise gefährlich ist es auf der japanischen Insel Hashima und schaurig sind die Katakomben von Paris. Vom Tal des Todes in Kamtschatka steigen giftige Gase auf, und wo das Bernsteinzimmer ist, weiß niemand.
19 geheimnisumwobene Orte: man wird sie wohl niemals sehen. Umso schöner ist es, dieses Buch zu besitzen. Es ist wieder so ein Beispiel dafür, wie gute Kindersachbücher zuerst die Erwachsenen faszinieren, weil man vieles erfährt, was man noch nicht wusste, und weil sie so schön sind.
Patrick Makin: Die geheimsten Orte der Welt. Illustriert von Whooli Chen. Seemanns Bilderbande, 80 S., geb., 24 €.