Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Sigrid Damm: Goethe und Carl August

Der Dichter und das Amt

Von Irmtraud Gutschke

Konnte er sich denn nicht mit Literarischem begnügen? Was zog ihn bloß in Amt und Würden? Vergeudete er sich? Musste er’s bereuen? Fragen nicht nur an den großen Goethe. Bis in unsere Tage klingen sie nach, wenn Literaten sich in politische Funktionen begeben, im Ehrgeiz des Weltverbesserns.

„Regieren!!“, hatte Goethe 1777 in sein Tagebuch geschrieben, nachdem er 1775 auf Einladung des 18-jährigen Herzogs Carl August nach Weimar gekommen war. Goethe war 26 und wie der Herzog voller Ideen. Zwei junge Männer, einander ebenbürtig, will es scheinen, in ihrer überschäumenden Lebenslust. Wobei der Ältere sich dem Jüngeren, auch seines Geistes wegen, insgeheim überlegen gefühlt haben musste, während dieser nicht vergaß, wer die Macht hatte. Als Geheimer Legationsrat gehörte Goethe zu des Herzogs engstem Beraterkreis. Das sicherte ihm ein gutes Gehalt. Durch die Beziehung zum Herzog ist er nie in finanzielle Nöte gekommen. Aber das Amt wird auch Herausforderung gewesen sein, Einfluss auszuüben und selber mitzumischen. Fürstenerziehung – auch das ein uralter Traum bis ins Heute hinein. Ein spannendes Spiel zunächst, muss daraus Beschwernis werden, weil es deutliche Unterstellungverhältnisse gibt.

Sigrid Damm, die schon mehrere Bücher über Goethe geschrieben hat – seine Schwester, seine Ehefrau, seine Herzensfreundin Charlotte von Stein – kann souverän aus genauester Kenntnis erzählen. Sie lässt ihr Buch 1828 beginnen, als der 79-Jährige in seinem Haus am Frauenplan, wie fast täglich, Gäste zum Mittagessen eingeladen hat und die Nachricht vom Tode des Herzogs Carl August empfängt. Von da an lässt sie in Zeitblenden die Höhen und Tiefen diese Beziehung erleben. Auch Goethes Müdigkeit ob der Amtsgeschäfte, die 1786 so groß war, dass er sich ohne Abschied nach Italien absetzte. Die Jahre dort hat er wie eine „Wiedergeburt“ empfunden…

Aber Goethes und Carl Augusts Biographien lassen sich in Kurzfassung auch anderswo nachlesen. Was dieses Buch auszeichnet ist das feinsinnige, einfühlsame Erzählen. Sigrid Damm vermag es, uns in eine Gegenwart hineinzuversetzen, die uns mitunter (ganz zu Unrecht) als ferne Vergangenheit erscheint. Ein kulturhistorisches Sachbuch, man liest es wie einen Roman.

Sigrid Damm: Goethe und Carl August. Wechselfälle einer Freundschaft. Insel Verlag, 320 S., geb., 24 €.

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