Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Robert Schneider: Der Schneeflockensammler

Ein Lob der Entrückung

Die Wunder und die Neugier – darum geht es. Dass wir uns vom Alltag nicht verschlucken, Phantasie in uns wachsen lassen und bei allem Vorwärtsstreben das Staunen nicht verlernen. Das Staunen über etwas, das größer ist als wir selbst. Da hat der Sohn eines Farmers aus Vermont erst Blätter gesammelt, dann Steine, deren besondere Äderung ihn faszinierte. „Du verkriechst dich und verträumst dein Leben“, monierte der Vater. Um es ihm recht zu tun wollte sich Wilson Bentley mehr Mühe geben mit den praktischen Dingen, doch immer wieder wurde er durch eine neue Entdeckung abgelenkt. Schließlich ist es der Zauber einer Schneeflocke, der sein Leben verändert.

Wilson Bentley (1865-1931), von dem Robert Schneider im Buch „Der Schneeflockensammler“ erzählt, gab es wirklich. Mehr als 5000 Schneekristalle hat er fotografiert und festgestellt, das jedes einmalig ist. Weil er sich für etwas begeistern konnte, das anderen verborgen blieb, hinterließ er eine bleibende Spur. „Er ist anders“, so hatte ihn die Mutter in Schutz genommen. Und wenn er nicht berühmt geworden wäre?

Ja, wahrscheinlich hat das Erwachen von Phantasie und Schöpferkraft auch mit Momenten der Entrückung zu tun. „Der Garten grenzte an die Hauptstraße, die so schnurgrade in den Horizont hinauslief, als führte sie direkt ans Ende der Welt.“ Wie Robert Schneider den Ort beschreibt, wo Wilson Bentley aufgewachsen ist, spürt man Seelenverwandtschaft. Und das ebenso bei Linda Wolfsgruber, die der Geschichte ihre zarten Bilder gab.

Du bist nicht allein, wenn du in dich versunken bist, um Geheimnisse in dir zu ergründen und vielleicht auch dort, wo die schnurgerade Straße aufhört. Das will dieses wunderbare Buch Kindern sagen.

Irmtraud Gutschke

Robert Schneider: Der Schneeflockensammler. Mit Bildern von Linda Wolfsgruber. Jungbrunnen Verlag, 32 S., geb., 16 €.

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