Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Udo Baer: Männerwürde

Im Hamsterrad der Erwartungen

„Männerwürde“ – Udo Baer denkt über Fragen nach, über die sonst kaum jemand spricht

Von Irmtraud Gutschke

Ist nicht allenthalben von „toxischer Männlichkeit“ die Rede? Oder von Cis-Männern, was heißt (meinem Mann musste ich das erst erklären), dass jemand mit männlichen Geschlechtsmerkmalen geboren ist und auch Mann bleibt.  Aber wieso hat der Begriff einen abwertenden Beigeschmack? Dass wir momentan eine radikale Gegenreaktion auf jahrtausendealte Frauendiskriminierung erleben, so könnte man es sich begreiflich machen. Aber wozu soll es gut sein, wenn eine Männerdiskriminierung um sich zu greifen beginnt?

Ich möchte jetzt kein Mann sein. Überhaupt fühle ich mich wohl als Frau, zumal ich einen Mann habe, der mir beisteht. Er sei in seiner therapeutischen Arbeit und seiner Seminartätigkeit zahlreichen Männern begegnet, die um ihre Würde ringen, schreibt Dr. Udo Baer, der Autor dieses Buches. Er sei selber den Weg der männlichen Identitätssuche gegangen, gibt er zu, und erzählt auf einprägsame Weise von anderen, die sich zwischen verschiedenen Anforderungen wie zerrissen fühlen und alle möglichen Anstrengungen unternehmen, sich gegen das Zerstörerische zu behaupten – im Berufsleben, überhaupt in der Öffentlichkeit, in der Partnerschaft, im Verhältnis zu den Eltern. Manche tragen die Folgen einer kalten Erziehung noch in sich, einer Vaterlosigkeit trotz Vater. Dass „es nie genug“ sei, was sie tun, bleibt ihnen ein Leben lang und verstärkt sich in dieser Ellenbogengesellschaft, wo gerade von Männern erwartet wird, dass sie sich in Konkurrenzverhältnissen durchsetzen können. Kein „Weichei“ sein, nie klagen dürfen und sich dabei mit Selbstvorwürfen überschütten – diese Probleme gab es schon immer. Aber heute kommt aus der Öffentlichkeit ein zusätzlicher Druck.

Es ist dies natürlich vor allem ein Buch für Männer, denen die Lektüre hilfreich sein kann, um aus jenen Fallen herauszukommen, in die sie der Alltag stellt. Noch besser, wenn sich auch ihre Partnerinnen dafür interessieren, damit sie besser verstehen, womit „er“ sich im Hamsterrad der Erwartungen so alles herumschlägt.

Udo Baer: Männerwürde. Laut und leise, stark und zart – ein Handbuch. Herder Verlag. 235 S., br., 20 €.

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