Er ist mit Tieren aufgewachsen, und er konnte gleichsam von innen heraus beschreiben, wie sie fühlen und denken. Die sprachlosen Wesen – sie sind uns doch so nahe. das weiß jedes kleine Kind.
Heute ist das Werk von Tschingis Aitmatow in rund 150 Sprachen übersetzt, zahlreiche Verfilmungen gibt es, Theaterstücke sogar Ballette nach seinen literarischen Vorlagen. Fünf Romane sowie ein Dutzend Erzählungen und Novellen – alles ist in deutschen Übersetzungen auf dem Buchmarkt verfügbar. Aber auch wer es kennt, mag in diesem Band „Tiergeschichten“ neue Facetten für sich entdecken. Andere Zusammenhänge stellen sich her. Man ist eingeladen, etwas genauer zu betrachten, wie durch eine Lupe sozusagen, was sonst im Gewebe der Texte womöglich nicht die nötige Aufmerksamkeit fand, weil die Lektürespannung immer weiter treibt.
So bietet dieser Band eine Begegnung mit dem Pferd Gülsary, dem Kamel Karanar, dem stolzen Schneeleoparden, die nach des Autors Willen Leidenschaften ausleben, wie sie sich die Menschen zuweilen nicht erlauben. Die Geschichte der Wölfin Akbara führt vor Augen, wie erbarmungslos der Mensch die Natur ausbeutet.
„Die Klage des Zugvogels“, die Legenden von der Ente Luwr und dem Jäger Kodshodshasch sind Kostproben aus Aitmatows poetischer Welt, zu der auch die Wale gehören, die mit ihrem Selbstmord den Menschen Rätsel aufgeben.
Irmtraud Gutschke
Tschingis Aitmatow: Tiergeschichten. Herausgegeben von Irmtraud Gutschke. Unionsverlag, 186 S., Leinen, 18 €.
In einer Videoaufzeichnung stellt Irmtraud Gutschke im Gespräch mit Olaf Koppe diesen lesenswerten Band vor.